Auszug aus Kapitel „Schrödingers Katze“
»Aber wie soll so ein Quanteneffekt in unsere alltägliche Welt hineinwirken, sich sogar, wie du sagtest, als Freiheit oder Möglichkeit entfalten? Er ist doch weiterhin wie ein Geist ohne Hebel.«
»Setzte er einen Hebel an, so wäre das schon im kausalen Geschehen. Die Lösung muss davor liegen. Lass mich dazu, in Anlehnung an Hans Jonas, ein Bild zeichnen.«
»Das wirst du ja, wie ich dich kenne, nicht real, nur virtuell tun.«
»Das Bild ist weder virtuell noch real, bzw. beides zugleich. Sonst wäre es unzutreffend. Schließlich geht es darum, wie das Unbestimmte das Kausale auslöst.«
»Kommt jetzt der Rubikon-Effekt?«
»Erst mal ein Kippeffekt. Die bei Entscheidungen oft verwendete Redewendung vom Auf-der-Kippe-stehen nehme ich nämlich wörtlich: Wir stellen einen absolut gleichmäßig geformten Kegel auf seine haarfeine Spitze, die nur noch ein Atom ist. Was wird geschehen?
»Er wird umkippen.«
»Aber stelle ihn dir supergleichmäßig vor. Die Unterlage ist vollkommen glatt, alles ist in einer physikalischen Isolierkiste gegen äußere Einflüssen geschützt.
»Dann ist er ein idealer Kegel in einer idealen Welt und hat nichts mit unserer Realität zu tun. In dieser wird er nämlich umfallen. Aber da ihr Philosophen solche Spielchen liebt, soll er natürlich stehen bleiben. Habe ich recht?
»Wenn alles absolut ausgewogen und störungsfrei ist, bleibt er nach der klassischen Mechanik stehen. Alle Kräfte heben sich auf. Doch nach der Quantenphysik hat der Kegel die Freiheit zu fallen – und zwar irgendwann in unbestimmbarer Richtung. Denn ein zufälliges Quantenereignis kann zu einer winzigen Unausgewogenheit führen, die das Ding stürzen lässt. Ab diesem Moment unterliegt der Fall der Physik der Berechenbarkeit. Somit verläuft in der Makrowelt alles getreu den Naturgesetzen. Dennoch wurde das Ereignis zufällig ausgelöst.
»Also hebeln die Quanten den Determinismus aus.
»Sie lösen per Zufall die Hebel der physischen Welt aus: Durch eine winzige Massenänderung von nur einem Quant beim bildlichen Kegel, der dadurch instabil wird. Durch einen einzigen Impuls in nur einem Molekül der DNS, der durch Vererbung in die Evolution wirkt. Durch die Beeinflussung der Unzahl elektrischer und chemischer Aktionen und Reaktionen in unseren Gehirnen, die letztlich Entscheidungen ermöglichen.
»Dann wäre das Gehirn so etwas wie das Organ, das die Quanteneffekte als Denken nutzbar macht?
»Das ist die Antwort unseres Rätselspiels.«